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Wir wollen anders lernen und lehren.

Das FLS Learning Lab des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Dortmund: Testraum für innovative Möbel.

Einen ganz besonderen Raum hat das Heinrich-Heine-Gymnasium in Dortmund. Wer ihn betritt, ist überrascht oder sogar verwirrt. Denn das „FLS Learning Lab“ sieht so anders aus als ein normales Klassenzimmer, und das ist gewollt: Es ist nämlich ein Showroom für innovative Möbel und wartet mit einem ungewöhnlichen Einrichtungsmix auf.

Buntes Sammelsurium an Möbeln

Wo man üblicherweise eine Tafel und einheitliche, in Reih und Glied stehende Tische sowie Stühle für Schüler*innen erwartet, gibt es in dem 130 Quadratmeter großen Raum ein wahrhaft buntes Sammelsurium an unterschiedlichsten Möbeln, die ein Lernen und Lehren in verschiedenen Höhen und Positionen ermöglichen. „Mit der Raumgestaltung haben wir einen radikalen Schritt gewagt, um zu verdeutlichen, wie ein Klassenzimmer abseits des Frontalunterrichts aussehen kann“, erzählt FLS-Lernraumplaner Dirk Poller. Das Lernen wird immer selbständiger, Tablets ziehen in den Unterricht ein, Bewegung kommt ins Klassenzimmer. „Das Learning Lab ist entstanden, weil wir uns gefragt haben, wie man die Vielfalt an Mobiliar zeigen kann, die den unterschiedlichen Bedürfnissen eines zeitgemäßen Unterrichts zu entsprechen.“

Skandinavischer Einfluss

Schüler*innen haben im Learning Lab eine große Auswahl an Sitzgelegenheiten: Gleich drei unterschiedliche Lerntreppen, jede aus einem anderen Material, laden zum Lernen im Sitzen oder Liegen ein. Hochstühle, Sitzsäcke, Podeste, Bänke, Barhocker und geschwungene Schaumstoffhocker bieten weitere Sitzmöglichkeiten. Eine ähnlich große Vielfalt trifft man bei den Tischen an: Hochtische wechseln sich mit niedrigen Couchtischen ab. Die Gruppentische besitzen eine kreisrunde, organische oder rechteckige Form und ermöglichen ein gemeinschaftliches Arbeiten, während sich an den Wänden Einzelarbeitsplätze der beliebten dänischen Serie ZAP Concept für die Stillarbeit befinden: Die hölzernen Boards dienen als Schreibtischunterlage und lassen sich ganz einfach in die Wandschienen einklicken. Aus dem gleichen Konzept stammt das ZAP Totem, eine Lernstation, die bis zu vier Kindern ein Arbeiten in einer von ihnen gewünschten Höhe und bevorzugten Haltung – sitzend, kniend oder stehend – erlaubt.

Überhaupt ist der gesamten Inneneinrichtung der skandinavische Einfluss deutlich anzusehen. Ein Blickfänger ist der robuste Arbeitstisch des dänischen Schulmöbelherstellers Højer Møbler: Die nachhaltige Werkbank aus recyceltem Holz bietet viel Platz für Mal- und Bastelutensilien, das Selbstgebastelte kann direkt an den seitlichen Metalldrahtgittern aufgehängt werden. Ein Pult für Lehrer*innen als zentraler Anker im Unterrichtsgeschehen gibt es im Learning Lab nicht mehr, stattdessen lässt sich ein mobiles Stehpult im Raum dorthin bewegen, wo es die Lehrkraft haben möchte. Mehrere fahrbare Pflanzkästen und eine Akustiktrennwand zonieren den großen Raum, für Rückzugsmöglichkeiten sorgen eine Lesekoje und eine Lesehöhle.

Kreatives Chaos ist erwünscht

Viele der Möbel lassen sich dank Rollen woanders hinbewegen, sind in der Höhe verstellbar oder besitzen ausziehbare Regale. Einzelne Elemente wie die Sitzsäcke sind mobil oder lassen sich wie im Fall der Schaumstoffhocker zu anderen Formationen zusammenstellen: Durch wenige Handgriffe entsteht im Nu aus einem Hocker ein Tisch oder ein Podest. „Der Raum soll verändert werden“, erläutert Axel Torka, Lehrer am Heinrich-Heine-Gymnasium, den Zweck des Musterraums. „Die Schülerinnen und Schüler sollen frei bestimmen, wie und wo sie ihre Aufgaben erledigen, und dürfen dafür die Möbel beliebig verstellen.“ Kreatives Chaos ist absolut erwünscht. Torka findet es spannend zu beobachten, wie sich die Grundeinrichtung verändert: „Wir wollen am Ende evaluieren, in welchem Zustand der Raum hinterlassen wird. Für uns ist es wichtig zu wissen: Wie wird der Raum wirklich genutzt? Hält die ursprüngliche Einrichtungsidee dem Praxistest stand? Was wird von den Schülerinnen und Schülern besonders gut angenommen, was überhaupt nicht?“ Das Learning Lab fungiert sozusagen als dritter Pädagoge – ohne Frontalunterricht.

Flexible Möbel für mehr Bewegung

Als Berater für pädagogische Architektur bedauert es Torka, dass in vielen deutschen Klassenzimmern immer noch Standardmöbel zum Einsatz kommen, sogar in architektonisch spektakulären Neubauten. Herkömmliche Tische und Stühle seien aber schwerfällig und nicht so leicht im Raum zu bewegen. „Wir wollen anders lernen und lehren! Meine Schülerinnen und Schüler können nach zwei Jahren Pandemie nicht mehr so lange stillsitzen“, berichtet Torka aus eigener Erfahrung. Es brauche mobile Möbel, die flexibel in der Anwendung sind, um den Kindern mehr Bewegung im Klassenzimmer zu ermöglichen. „Sobald eine Schülerin oder ein Schüler aufsteht, weil sie oder er im Stehen arbeiten möchte, wird sie oder er in der Klasse zum Störfaktor. Im Learning Lab kann sich dagegen jeder frei bewegen und dorthin platzieren, wo er möchte.“

Learning Lab offen für externe Pädagogen und Entscheidungsträger

Das Motto „Gestalte dir den Raum, wie er dir gefällt“ gilt übrigens nicht nur für Schüler*innen, sondern auch für die Lehrkräfte. So manchem Kollegen und mancher Kollegin am Heinrich-Heine-Gymnasium falle es noch schwer, den Raum tatsächlich in einem chaotischen Zustand zu verlassen. Zu groß sei die Versuchung, wieder alles zurechtzurücken. Wer es selbst erleben will: Auch Externe dürfen gern einen Blick in das Learning Lab werfen, die Möbel begutachten und sogar ausprobieren. Bei der Stadt Dortmund ist Torka Ansprechpartner für Kooperationen mit dem Showroom: Für Pädagog*innen und Entscheidungsträger*innen stellt er den Kontakt zur Schule her und vermittelt Hospitationen.

Erkenntnisse sollen die Gestaltung des Schulneubaus mitbestimmen

Das Learning Lab ist ein gemeinsames Projekt zwischen dem Heinrich-Heine-Gymnasium und Flötotto Learning Spaces. Die aus der Evaluierung gewonnenen Erkenntnisse sollen später in die Gestaltung des Schulneubaus einfließen. Was man jedoch schon jetzt konstatieren kann: Viele Besucher*innen, die beim erstmaligen Betreten des Showrooms verwirrt reagieren, wie beispielsweise beim ersten Elternabend im Learning Lab, zeigen sich letztlich beeindruckt von den vielfältigen Einrichtungsmöglichkeiten.