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Mehr Raum zum Leben und Lehren

Die Bildung von morgen passt nicht mehr in die Schulgebäude von gestern – mit der richtigen Möblierung kann man auch ohne Anbauten mehr Raum für neue Aufgaben schaffen.

Autor: Norbert Krines

Jede Lehrkraft kennt die Situation: Die Klasse ist in eine intensive Gruppenarbeit vertieft, hier wird diskutiert, dort etwas kommentiert, der Lautstärkepegel steigt langsam an. Vor dem Lehrerpult tauchen zwei Kinder auf, die sich bei den Hintergrundgeräuschen nicht konzentrieren können. Der Platz im Klassenzimmer ist begrenzt, eine ruhigere Ecke, in die sich Schüler*innen mit einem größeren Ruhebedürfnis zurückziehen können, fehlt. Man könnte die arbeitenden Schü-ler*innen jetzt unterbrechen und um mehr Ruhe bitten, auch wenn das bedeutet, dass die Gruppen erst wieder mühsam in ihren Arbeitsfluss finden müssen. Wieschnell wäre man als Lehrkraft jetzt geneigt zu sagen: „Dann schnappt euch eure Sachen und zwei Stühle und macht die Aufgabe im Flur fertig.“ Doch so einfachlassen sich Flure nicht zu Lern- und Aufenthaltsorten umfunktionieren.

GENAU DEFINIERTE FLUCHTWEGE

Die meisten Schulen in Deutschland sind sogenannte Flurschulen, bei denen breite, gerade Flure die einzelnen abgeschlossenen Klassenzimmer verbinden. Hier und da hängen vielleicht Projekte aus dem Kunstunterricht oder stehen Vitrinen mit Schulpokalen an den Wänden, aber das ändert wenig daran: Schulflure sind wie Autobahnen, auf denen Schüler*innen und Lehrkräfte schnell von einem Raum zum anderen gelangen. Zum Verweilen oder gar als Aufenthalts- oder Lernraum eignen sie sich kaum. Auch wenn der lehrer*innenzentrierte Frontalunterricht, dem diese Architektur zugrunde liegt, längst überholt ist, sind Flurschulen bauordnungsrechtlich noch der Standard. Das liegt auch daran, dass die breiten Schulflure als „horizontale Rettungswege“ dienen,die strenge Vorgaben erfüllen müssen. „In Rettungswegen müssen bestimmte Fluchtwegbreiten eingehalten werden. Grundsätzlich gilt hier bei 200 darauf angewiesenen Personen eine Breite von 1,20 Meter; je 200 Nutzer*innen mehr steigt die Breite um weitere 0,6 Meter“, erklärt Konstantin Sachse, Brandschutzingenieur bei der Kleusberg GmbH, einem Spezialisten für modulares Bauen. „Bei Schulen ist die Mindestbreite von notwendigen Fluren 1,50Meter, die eingehalten werden muss.“ Das bedeutet auch: Im Flur dürfen keine größeren beweglichen Objekte stehen, die im Zweifelsfall den Fluchtweg verstellen könnten.

„Die grundsätzliche bauordnungsrechtliche Anforderung an Rettungswege besagt, dass diese im Brandfall ausreichend lang nutzbar bleiben müssen. Zusätzlich definiert die Bauordnung, dass Bekleidungen, Putze, Unterdecken und Dämmstoffe von notwendigen Fluren aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Eine grundsätzliche Brandlastfreiheit wird dennoch nicht unterstellt, es gilt die ausreichend lange Nutzbarkeit, welche gewährleistet werden muss. Brandlasten in Form von brennbarem Mobiliar überschreiten an dieser Stelle die Vorgaben der Bauordnung und sollten nichtbrennbar ausgeführt werden“, so Sachse. Rettungs- und Fluchtwege müssen weitgehend frei von Brandlasten bleiben. Als Brandlast bezeichnet man die Menge und Art der brennbaren Materialien, die sich an einembestimmten Ort befinden, zum Beispiel Plakate an den Wänden, Jacken an der Garderobe oder eben auch Möbel. „Das sind dann in der Regel Einzelfallbewertungen. Die Brandlast, die zum Beispiel von einem hängenden Bild ausgeht, ist gering. Bei Jacken kann das schon anders aussehen. So eine Jacke kann einen Flur verrauchen, der dann als Fluchtweg ausfällt.“

MIT DEN RICHTIGEN MÖBELN GEHT’S

Gleichzeitig steigt der Platzbedarf an Schulen. Lehrer*innenzentrierter Frontalunterricht weicht immer häufiger dem selbstgesteuerten Lernen in Kleingruppen, die dank Digitalisierung auch außerhalb des Klassenzimmers arbeiten können. Inklusion und Ganztagesschulen stellen viele Schulen zusätzlich räumlich vor neue Herausforderungen. Und nicht zuletzt wird die Schule mehr und mehr vom Lern- zum Lebensort, in dem sich Schüler*innen und Lehrkräfte wohlfühlensollen. Viele Flure lassen sich für all diese neuen Aufgaben nutzen, ohne dabei gegen die strengen Auflagen für Brandschutz und Rettungswege zu verstoßen. Die Möblierung muss im Großen und Ganzen drei Bedingungen erfüllen: Die Möbel dürfen die Mindestbreite nicht einschränken, sie sollten die Rettungswege nicht verstellen können und vor allem müssen sie aus nicht brennbaren beziehungsweise schwer entflammbaren Materialien bestehen. Dafür bieten Möbelherstellermittlerweile brandschutzzertifizierte Möbel an, mit denen sich ohne viel Planungs- und Kostenaufwand der nutzbare Lern- und Lebensraum in einer Schule deutlich erhöhen lässt. Die Lernraum- planer*innen von Flötotto Learning Spaces (FLS) haben hier bereits Erfahrungen und beraten gerne.

INNERSCHULISCHE FUSSGÄNGERZONEN

Der so gewonnene Raum lässt sich auf vielerlei Arten nutzen: als Arbeitsplatz für Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten, wenn sich die Schüler*innen abseits der Klasse konzentrieren wollen; als Ort für Gespräche unter Kolleg*innen oder mit Eltern, die abseits vom vollen Lehrerzimmer stattfinden sollen; als Aufenthaltsraum für Pausen oder Freistunden; selbst als Ruheraum lassen sich möblierte Flure nutzen. So laut und voll sie während der Stundenwechsel sind, so leer und ruhig sind sie während der Schulstunden. Gerade für Schüler*innen, die sich schwer konzentrieren können, kann eine kleine „Auszeit“ im Schulflur hilfreich sein. Würde man die Schule als eigenen kleinen Mikrokosmos mit einer Stadt vergleichen,wären solche Schulflure die innerschulischen Fußgängerzonen: Orte der Begegnung, des Aus- tauschs und vor allem Orte, an denen man sich gerne aufhält. Einpositiver Nebeneffekt: Durch das entspanntere Raumklima verbessert sich das schulische Miteinander.

NEUE AUFGABEN SCHAFFEN NEUE SCHULEN

Die neuen Aufgaben schlagen sich natürlich auch in neuen Schulhauskonzepten nieder. Statt in Klassenzimmern lernen Kinder in Zukunft in Clustern, Lernhäusern oder Lernlandschaften – also in offenen, flexiblen und multifunktional nutzbaren größeren Räumen, die mehr Freiheit für die Unterrichtsgestaltung ermöglichen. Bei Lernclustern gruppieren sich unterschiedliche Lernräume um einen gemeinsamen, zentralen Bereich, der als Forum, Ruhezone oder auch als Lern- und Aufenthaltsraum dient. Bis zu 600 Quadratmeter darf so ein Lerncluster groß sein – viel Raum für variable Raumgestaltungen und modernen Unterricht. Auch für Sachse sind Lerncluster eine gute Verbindung zwischen pädagogischer Freiheit und notwendiger Sicherheit: „Hier ist der ganze Raum nutzbar. Man muss nur sogenannte Hauptgänge ausbilden, über die die einzelnen Lernbereiche erschlossen werden. Fluchtmöglichkeitengibt es zum Beispiel in andere Clusterräume, über Außentreppen oder einen Zugang zu einem Treppenraum.“ Dadurch, dass es in der Clusterschule insgesamt mehr Fluchtmöglichkeiten gibt, kann man auf die klassischen Fluchtwege verzichten und gewinnt mehr nutzbare Fläche. „Dass bisher nur Nordrhein-Westfalen das Cluster-Schulmodell in seine Baurichtlinien für Neubauten übernommen hat, heißt aber nicht, dass nur dort solche Schulen gebaut werden dürfen“, weiß Sachse. „Auch in anderen Bundesländern geht das als Einzelfallentscheidung, die dann aber von der unteren Bauaufsicht genehmigt werden muss.“ Überhaupt empfiehlt der Experte,frühzeitig Brandschutzkonzeptersteller und die kommunale Aufsichtsbehörde bei Schulbauten, die untere Bauaufsicht, ins Boot zu holen, wenn man vorhandeneFlure neu nutzen oder gar ein neues Schulgebäude planen möchte. „Experten können zum Beispiel mit einer Evakuierungs- berechnung nachweisen, ob in einerSchule alle Personen das Gebäude verlassen können, auch wenn der Rettungsweg nicht die geforderte Breite hat.“ Denn eines ist auch für den Experten klar: Zeitgemäßer Brandschutz und zeitgemäßer Unterricht müssen kein Widerspruch sein.